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Aus
Alfred Richard Meyer, Die Sammlung, 1921
Der
Pfirsich spritzt schon Zucker durch die Haut!
Im
Keller sprengt der Mosel fast Bouteillen,
Fanfart
der Bowle goldene Réveillen.
Der
kleinsten Grille banges Herz aufzirpt:
„Carpe
diem! Weil Jugend sonst verdirbt.“
Es
wird gecarpt! Sofort! Fern drusselt Jena.
Sekt-Böllerschuss!
Mond, glühst du heut’ Siena!
Blau
ist die Nacht. Wir wollen blauer werden.
Die
Sporen unsern zottigen Wolken-Pferden!
Wir
lassen Jena ruhn mit scharfer Kehre
Und
starten Berka, Tiefurt, Belvedere.
Weiss,
wie die Räderzacken zueinander passen,
Wie
grosse, kleine zierlich kreisend in sich fassen;
Durch
seine Lupe ist ein Stäubchen Gold ein Berg.
Sein
Tisch der Erde bunte Abenteuer trägt,
Die
Wissenschaft verliert hier ihre tausend Wunder.
Den
Brand von Rom jedoch facht schon ein Stückchen Zunder,
Sein
brenzlich Qualmen jeden Blick mit Blindheit schlägt.
Die
Schlachten h i e r
entscheiden Frieden oder Krieg,
Ob
an der Börse Kurse steigen oder fallen,
Der
Komponisten neuste Symphonien erschallen
Erst
h i e r , Erfinder triumphieren h
i e r den Sieg.
Dazwischen
all der anderen winzig wichtiger Tand:
Wann
heuer Schützenfest, ob man sein Schwein bald schlachtet,
Prozesse,
ein Begräbnis, dass man Kali schachtet,
Die
Maul- und Klauenseuche, eines Nachbars Brand.
Doch
Sonntags schrumpft das alles in sich wie ein Nichts.
Die
Perpendikel pendeln nur den Alltag weiter,
Sie
wissen nicht, warum heut die Gesichter heiter,
Und
werfen weit von sich den Blitz des Sonnenlichts.
Das
überfliesst des Meisters schwarzen Rock und fleckt
Das
Kreuz von Eisen und den hageren Zylinder;
An
jeder Hand führt er eins seiner Enkelkinder,
Das
einer Zuckerstange rot Zerschmelzen leckt.
1
Wie hätte ich je deines Kinns gerade Linie vergessen können!
Die Musik, das heilige Schnurren deiner Hüften!
Das Züngeln zwischen deinen weit auseinander stehenden Zähnen!
Du warst die größte Lieblingskatze der Königin Karomama.
Dein Blick gebot selbst dem schakalköpfigen Totengotte Anubis.
Auch ich stehe – gebannt, gelähmt, in mir selbst gefangen, versteinert.
Aber in mir sind tausend Kräfte bereit zur Befreiung.
Ich fühle ganz eisig, wie du mich langsam in eine Maus verwandelst,
Und weiss dennoch nicht, ob jene Sekunde fern oder
nah ist,
Da mich dein Prankenschlag tötet oder beseligen wird.
2
Lass mich ein in die Vergissmeinnichtwiese deiner Augen,
In ihr morgentaufrisches Sonnen- und Luftbad.
Ist hier nicht aller verlorenen Paradiese Mitte?
Oh, die Orgel der Hummeln, das Zymbal der Grillen
Kommt zu mir Auf dem Altweibersommer deiner Tränen.
- Oh, nun noch Wunder der Wunder: dein Regenbogen!
Lächle, lächle – jetzt scheint die Sonne wieder!
Ich schreite in goldener Nacktheit
Durch Millionen Vergissmeinnicht
In den Himmel.
Dass ich – o schönster Schmerz! – vollends zerschmettert werde!
Böse Nacht, die du mich zu Tode nicht kommen lässt,
Wo sind deine schroffsten, tiefsten Gründe der Seligkeit,
Aus denen mein letzter Schrei nicht mehr klettern kann
In den Tag deiner Augen!
Barst die Erde?
Stürzen die Häuser in sich zusammen?
Flammen!
Oh, mich trägt durch all die Flammen
Auf zu den Sternen reiner Akkorden
Deines Leibes weisse Glut,
Deines Leibes brüllender Aeroplan.
Alle Kräfte aller Pferde
Dieser Erde,
Jeder Erd
- Blut,
Blut, Blut! – ,
Sind
mir,
Kind mir,
Untertan.
Und nach mir in dem Bette deines Meeres geschieht,
Hebt mich als schönere Welle nur hoch in den Himmel.
Jetzt bin ich ein Stern,
Jetzt heisse ich Fix,
Jetzt schnuppe ich schon wieder im Gleitflug
Erdenwärts.
Ich bin ein Delphin,
Aus den neptunischen Dithyramben deines Nabels entsprungen,
Und singe, singe, singe nur die eine Sehnsucht,
Dass mich der bäumende Kiel deines Bucintoro-Leibes
zerschneidet,
Woge wieder zu werden im Adria-Meer deines verebbenden,
Gleich wieder aufflutenden Bettes.
Reisst mich empor aus dem Schneefeld meines einsamen
Bettes,
Zerflatterst den Wolkenhimmel meiner Schwermut zu Purpur,
Öffnest mir alle Adern zum roten Spiele verwirrter Kaskaden.
Bis ich hinter Nebeln wieder alles, was böse und gut war, von mir entgleiten
fühle,
Bis ich fern wie niemals dem Unbekannten der nächsten Tage bin
Und nur das eine weiss:
Rauschender Reiher – ganz gross – ganz weiss
– und ganz heiss –
Schöner,
denn je deine Mutter geträumt!
Sieg
sei dein Leben, du König der Erden,
Solang
dir der Wein der Jugend schäumt.
Du,
der die Frucht aus meinem Samen,
Gesegnet
seist du, Amen!
Wenn
du in Ehrfurcht ihr Erbteil gewannst,
Kommen
dir selber so einstens Kinder,
Dass
du ihr Schicksal ertragen kannst.
Du,
der du die Frucht aus meinem Samen,
gesegnet
seist du, Amen!
Unendlicher
Ründung ein Glied nur bist.
Geboren
im Bette, zeugst du im Bette,
Der
Tod dein letzter Bettbuhle ist.
Du,
der die Frucht aus meinem Samen,
Gesegnet
seist du, Amen!
A.R.M. Die Sammlung- 1921
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